„Dieser Tagebuchroman ist so ziemlich das intensivste Buch, das ich in den letzten Jahren gelesen habe.“

Stefan Härtel (@booksterhro)

Martin Hiller hat ein radikales, zärtliches Buch über den Tod des eigenen Sohnes geschrieben. An einhundert Tagen hat der Autor das, wofür es eigentlich keine Worte gibt, aufzuschreiben versucht. Entstanden ist ein massives, wortreiches Dokument der ersten Zeit der Trauer. Im Schreiben findet das aus allen Zusammenhängen gerissene Leben als Vater und Familie einen Halt. Das Buch berichtet von der Zeit mit dem Kind, von der Zeit nach seinem Tod, vom Weiterleben mit seinem Zwillingsbruder, und geht, im Suchen nach Ankern und Artefakten aus der Zeit mit und vor den Kindern, in schonungslos autobiografische Bereiche. Was als schreibender Versuch gegen die Ratlosigkeit anfing, fand in „Frau Elster und der eingestickte Wal“ zur Form eines Buches, die das Leben in der Trauer zu einer Erzählung werden lässt, die weiter geht, als in die Trostlosigkeit.

Die nasse Luft steht richtig zwischen den Häusern. Die Straßen feucht, die Natur trieft, jedes Atmen wie ein Schluck aus der -Kelle der Welt. Auf dem Weg zum Friedhof muss ich aufpassen, nicht wieder hinzufallen. Richtiges Laubausrutschwetter. Der Hauptweg ist ungefegt, es ist Wochenende, es ist malerisch wie immer. Man muss ganz langsam und am besten keine Kurven fahren und man darf auch nicht bremsen. Ich rolle, so vorsichtig wie ich kann, zu Karls Grab. Von den Bäumen fällt Laub. Sogar da, wo keine Bäume sind, fällt Laub.

In hunderten Einträgen hält dieses Buch die ersten Tage, Wochen und Monate nach dem Tod meines kaum zwei Jahre jungen Sohnes fest. In einem Wechsel von kurzen Bruchstücken, lange strömenden, stromernden Textpassagen, nüchternen Ratlosigkeiten, metaphysischen Versuchen und prosaischen Alltagsminiaturen legt es die inneren und äußeren Zustände eines Trauernden offen. Im Text bleibt das Leben festhaltbar. Die Trauer geht in alle Richtungen. Das Buch erzählt von der gemeinsamen Zeit mit dem gestorbenen Kind, vom Weiterleben als Eltern mit seinem Zwillingsbruder, vom Schweben im Schock, vom Loch nach der Beisetzung, von Orten, Routinen und Artefakten in der Trauerarbeit. 

Das Schreiben geht in die Winkel aller Zeiten der eigenen Biografie. Und so erzählt dieses Buch auch von einem Roman, an dem ich schrieb, während ich mit dem Kind für Wochen im Krankenhaus war. Es ist auch ein Schreiben über ein prekäres Künstlerleben, über Brotjobs und das alltägliche Rudern und Hadern. Und die Egalheit all dessen durch das neue Glück mit den Kindern.

Radikal, zärtlich und voller Liebe ist dieses Buch über die Trauer auch ein Ja für das Weiterleben. Es ist ein Lebensbuch über seinen Tod.  Im Text finden die Worte, die es dafür nicht gibt, einen Raum. Im Text, zwischen den Buchdeckeln, bleibt das Kind in der Welt.

Martin Hiller

Martin Hiller. 1982 geb. in Ludwigslust, aufgew. in Berlin-Treptow, lebt seit 2002 in Greifswald. Ein bisschen Germanistik und Philosophie, Abschluss als Mediengestalter für Digital- und Printmedien. Jobs. Artikel für Tageszeitungen, Zeitschriften und Internetmedien über Musik und Popkultur. Experimentelle Langstrecke im Regionalradio. Musik, Minimalismus und Aleatorik. Konzerte und Klanginstallationen.

martin-hiller.de

Bibliografische Angaben

Martin Hiller – Frau Elster und der eingestickte Wal
Hundert Tage Trauerarbeit. Tagebuchroman.
Paperback, 736 Seiten mit 24 Foto-Doppelseiten in schwarz/weiss
Erstauflage erhältlich ab 17.11.2023
ISBN 978-3-00-077228-3
25,00 €

Kaufen: E-Mail an info@kranundweuke.de (Martin Hiller)

Kommentare

Hallo Martin,

wir sind zusammen zur Schule gegangen. Klasse 7/2 bei Herrn Fehlner ;). Ich würde das Buch gern kaufen.

Ich finde keine Worte für Deinen Verlust.

Ich sende viele gute Gedanken aus Osnabrück.

Jessica (Mariss)

Lieber Martin,ich glaube es kann niemand nachvollziehen wie furchtbar euer Verlust ist,der solche Tragödie nicht erlebt hat. Ich hoffe Dir hilft das Buch bei der Verarbeitung des Unfassbaren.Bitte reserviere mir ein Buch.

Hey Martin,
bin noch am Lesen. Bin sehr berührt, tauche ein,
in das, was ihr durchlebt habt. Wir haben auch sehr gelitten, aber bei euch hatte es noch eine viel größere Dimension. Wie im Wahn lese ich immer weiter, muss aber Unterbrechungen einlegen. Ach, was schreibe ich hier alles!?
Jedenfalls Hoachtung vor deiner Leistung , dieses Buch so wunderbar zu verfassen. Auch an Euch beide Respekt.
Ich habe zwei Vormerkungen für Dein Buch:
– Doris, eine alte Schulfreundin,die ich eigentlich nur einmal im Jahr zu ihrem Geburtstag spreche möchte es unbedingt lesen. Wollte es gleich in ihrem kleinen Buchladen vor Ort bestellen.
– Heidi und Martin möchten auch ein Exemplar

(Wenn möglich, erst dann wenn etwas größere Schrift ist).
Herzliche Grüße
Kryll

„Es gibt keine Worte. Ich schreibe sie alle auf. Mechanisch, was war.“
So steht es in Martin Hillers Tagebuchroman über den Verlust seines kleinen Sohnes Karl, dem Zwillingsbruder von Paul. Er lässt uns teilhaben an seiner Trauerarbeit und darüber hinaus gewährt er uns Einblicke in sein bisheriges, Boheme- Leben, das mit der Geburt der Zwillinge einen neuen Lebensinhalt bekam.
Er ist ein aufmerksamer Beobachter und beschreibt so manche skurrile und sogar lustige Situation aus seinem Leben.
Ein starkes Buch. Nur Mut, es zu lesen. Es lohnt sich!

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