Und müsste man jetzt mit seinem Buch über den Tod im sozialen Internet herumtröten? Beim Schreiben von „Frau Elster und der eingestickte Wal“ war mir immer sehr klar, dass der Text ein Buch werden müsste. Dass es genau dieser Kanal – der Text – jetzt war, der mir in der Trauer half. Es schien absurd, das Internet mit dem Tod meines Kindes vollzutexten. Aber jetzt ist das Buch da, es ist ein Riesentext, der weiter geht als meine Trauer, und um diesen blauen Backstein (es ist das Blau der Pharoah-Sanders-Platte, aus der das Schlussmotto zitiert) angemessen in die Welt zu bringen, muss ich den ganzen Scheiss machen, den ich schon damals immer nur halbherzig und etwas verquast bedient hatte und der mir seit der Geburt meiner Kinder völlig angenehm egal geworden war, auf meinem Instaprofil (schon beim Wort so ein Schaudern) war gar nichts mehr los, ich war ja zuhause, mit den Kindern, und hatte schließlich zu tun. Ich hatte ja irgendwann wieder kleine Konzerte und Performances gespielt. Aber auch davon wusste das Internet nichts.

Und um „Frau Elster“ jetzt also raus in alle Lüfte zu schicken, legte ich ein Instagram-Profil an, bei Facebook müsste erstmal mein persönliches und mein Künstlerprofil reichen, dachte ich so, und dann vielleicht noch die Einträge auf der Webseite – und dann schreibe ich auf all diesen Internetebenen einfach irgendwie weiter, als weitergehendes Buch vielleicht. Aber alles hieran fühlt sich noch seltsam an. Schon das Schreiben dieses Teasertextes hier, den ich als digitaler Nomade im schönen, hellen Treppenhaus des Katapult-Verlagshauses in den kleinen Karlcomputer mit dem aufgeklebten Wal vorne drauf klickere, während draussen der Regen die Menschen ins Innere treibt, ich die freien Minuten für das Verpacken neuer Versandsachen nutze, der mobile Hotspot den Akku meines tapferen Handys schröpft und die hashtags hinter dem Text stehen wie ungehobelte Vorlaute.

#kindsverlust #tagebuchroman #kranundweuke #martinhiller


Martin Hiller hat mit „Frau Elster und der eingestickte Wal“ ein radikales, zärtliches Buch über den Tod des eigenen Sohnes geschrieben. Diese Einträge berichten von der Zeit nach seiner Fertigstellung.

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Blick aus dem Treppenhaus beim Katapult-Gartenfest
Blick aus dem Treppenhaus beim Katapult-Gartenfest