Morgens das Kind in die Kita. Sehr fahrig, zerfranst wieder mal – das Auto stand mit offener Tür auf dem Parkplatz. Nichts war weggekommen, aber auch nichts hinzu. Innere Leere, völlig müde und innen abgesackt, seitdem das Buch am Mittwoch aus dem Druck gekommen war. Vormittags dann zum Arzt. Dudelfunk und Speckflecke auf Kopfhöhe. Stuhlkreis der Kranken. Zuhause hievte ich die Kartons mit den Büchern in die Fahrradpacktaschen und raste los. Unterzuckert und allein fuhr ich unterm grauen Deckel aufs Festivalgelände. A. war auch da. Wir legten unsere Bücher auf den Büchertisch für regionale Schreibende hin, aßen Langos und redeten über den Tod und die Toten, die wir kennen. Mit C. fuhr ich das Kind dann nachmittags mit dem Auto aus der Kita holen. Von der Cafébank, auf der ich gesessen hatte, hatte ich kackbraune Harzflecken am Arsch. Also ließ ich mich nicht mit dem Auto wieder beim Festival absetzen, sondern fuhr nochmal kurz mit nach Hause, wechselte die Hose, war ohne Fahrrad und hatte gleich Standbetreuung am Büchertisch. Also buchte ich einen dieser E-Roller, registrierte mich mit kurzem Rumgewische auf dem Handy für diese Roller-App und fuhr dann, das erste Mal in meinem Leben, ohne Kackarsch, aber unendlich müde, mit müdem Gesicht, trübe und mürbe, durch den Wind in den Stadtrand. Auf einem Elektroroller zu meinem Buch über das gestorbene Kind. Es war grotesk und die Handyapp wies mich an, das Ding auf eine ganz spezielle Art abzuparken und ein Foto davon zu machen. Ich stellte den Roller auf eine Wiesenfläche neben dem Gehweg vorm Festival und lief auf idiotische Weise verschämt zum Büchertisch, wo mir nicht nach Reden und ich deshalb der völlig falscheste Vertreterfutzi auf dieser Minibuchmesse war.

Es hatte am Tage immer wieder stückweise geschüttet und irgendwann kam Alexander und mit ihm die Sonne und ein schönes Gespräch. Sonia hatte das Buch in drei Tagen ausgelesen. Sie hatte gesagt, sie wollte nur schnell durch, durch den dollen Text durch, statt in Häppchen alle Heftigkeit auf einmal. Also war sie drei Tage in dem Text und ich rechnete, wie das möglich sei. Danach wollte sie malen, aber starrte nur eine Stunde in den Garten. Ich war gerührt von ihrer Nachricht und schrieb, es klang wie ein unbeholfenes Schulterpäppeln, war aber tief und herzlich gemeint, dass ich hoffte, dass sie bald wieder malen könnte.

Nach meiner Buchtischschicht tingelten wir noch ein bisschen übers Gelände, aßen Pommes und ich saß sicherheitshalber auf einem Kissen. Die Gehwegwiese war nass geworden und als wir mit den Rädern in der ersten Dunkelheit nach Hause fuhren, war der Roller auf dem weichen Boden umgekippt und lag da, wie ein erschöpftes Tier. Abends war ich sehr schnell, nach den letzten Mails des Tages, wieder sehr heftig auf dem Sofa eingeschlafen und in den Suburbs legte das Festival erst so richtig los.


Martin Hiller hat mit „Frau Elster und der eingestickte Wal“ ein radikales, zärtliches Buch über den Tod des eigenen Sohnes geschrieben. Diese Einträge berichten von der Zeit nach seiner Fertigstellung.

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